Hallo Drazor,
Zunächst eine kleine Anmerkung. Den Begriff "Seitei" gibt es seit 2017 nicht mehr. Er wurde ersetzt durch "Zenkenren"-Iaido in Anlehnung an ZNKR (Zen Nihon Kendo Renmei) und gilt für alle ehemaligen Seitei-Formen, unabhängig vom Grundstil.
Nun, überraschend, dass Jiu Jitsu auch Iai als Prüfungsunterordnung abfragt. Wichtig ist zum Verständnis, das gilt m.M. nach für alle kampfsport/kunstbasierenden Waffensysteme, dass man ein Verständnis entwickelt, womit man da gerade umgeht. Natürlich trainieren wir mit Iaito, stumpfen, aber doch spitzen Katana. Man sollte sich aber immer vergegenwärtigen, dass ein echtes Shinken rasiermesserscharf ist. Hinzu kommt, dass wir ob man nun möchte oder nicht, eine Kampfkunst erlernen, die todbringend ist. Hier gilt wie nirgendwo anders: Der Zweitbeste wird beerdigt.
Zu deiner Frage. Das Katana ist das Kennzeichen des Samurai. Zwar waren Samurai an der Haltung, Bekleidung, Frisur, Sprache, Wappen Ihrer Familie und an vielen anderen Details erkennbar, die von der Epoche, Verortung und Rangordnung abhängig waren. Aber während all solche Merkmale variable Elemente waren, blieb nur das Katana als notwendiges, stabiles Kennzeichen des Samurai. Weder tags noch nachts trennte sich ein Samurai von seinem Katana. Es gehörte zu ihm fast so eng wie sein Körper – eben als Verkörperung seines Amtes, seiner Funktion und seines Credo. Denn ‚Samurai’ – bekanntlich als „Krieger“ übersetzt – bedeutet ursprünglich „Dienender“: Sein Schwert war das ehrwürdige Mittel, um seine beschützende Funktion als Diener seines Herrn, und damit der Ordnung hinsichtlich des friedlichen Lebens zu erfüllen. Sein ganzes Leben stand vollkommen im Dienst dieser Werte.
Nur mit einer unerschütterten, reinen Überzeugung konnte ein Samurai sein Leben riskieren, opfern, dem Schwert ganz anvertrauen: Sein Leben steckte in seinem Schwert. In diesem Sinne sagt man, dass das Katana die Seele des Samurai ist. Wer heute Iaido übt und dafür ein Iaito bzw. ein Katana pflegt, möge nicht von dem historischen und geistigen Wert des Katana absehen, sondern sich damit auseinandersetzen, um die Werte des Dienens zugunsten anderer zu reflektieren. Dabei sei auch das reine Mittel des Katana bzw. des Iaito fleißig gelernt und mit Respekt behandelt. Wir dienen dem Schwert, aber verteidigen den Lehnsherrn mit unserem Leben. Ich denke, so ist das zu verstehen. Und wenngleich wir keine Lehnsherren/Daimyos/Shogune haben, wir haben das Dojo, den/die Sensei (ich habe beides
), den Verband (DIaIB), den Präsidenten.
Falls man tiefer in die Materie dringen möchte, ein paar Buchtipps:
Kammer, Reinhard: Zen in der Kunst, das Schwert zu führen. Eine Einführung in die altjapanische Fechtkunst, München-Planegg 2000 (1. Aufl. 1969)
Kapp, Leon und Hiroko / Yoshihara, Yoshindo: Japanische Schwertschmiedekunst, Eschershausen 1996 Yumoto, John M.: Das Samuraischwert. Ein Handbuch, Freiburg 1995
Ich habe das seltene Glück, dass ich auf unserem September-Seminar aus den Händen unseres Großmeisters mein Schwert bekomme. Vor einem Jahr in Auftrag gegeben. Da meine Sensei mich "Tombo" (jap:Libelle) nennen, wird das Schwert die Tombo zum Thema haben. Man kann sich nicht vorstellen, wie sehr ich mich freue auf den September. Und mit dem neuen Schwert geht es dann (ich habe es in den Nationalkader geschafft) im Oktober auf die Europameisterschaft nach Polen. Onegai shimasu!
Tom